Freitag, 10. Februar 2017

Bodybuilderin im Iran verhaftet - Gedanken zu einer Internet-Meldung

 
Ich protestiere!

Wenn das so stimmt, was ich oben als ersten Teil der Überschrift zu diesem Posting stehen habe, dann ist es ein weiterer Grund dafür, um keine radikal-fundamentalistischen Muslime zu mögen. Zumal sich das Ganze schon vor gut drei Wochen zugetragen hat und es allem Anschein nach keine weiterführenden Informationen dazu gibt, was mit der betroffenen Frau geschehen ist.

(Man beachte auch meinen unten angesetzten Nachtrag (12.2.17) zu diesem Beitrag, ich bitte aber, erst ganz normal von oben nach unten weiter zu lesen, weil ich zu der Kernaussage der nun folgenden Abschnitte nach wie vor stehe:)


Also: Bis jetzt offiziell vom iranischen Justizapparat bestätigt ist der Umstand, dass man eine Bodybuilderin verhaftet hat. Der Vorwurf lautet, sie habe "unislamische" Fotos, ja sogar "Nackt"-Aufnahmen von sich selbst im Fressenbuch und anderen sozialen Medien veröffentlicht: "Eine der Bodybuilderinnen, die kürzlich Nackfotografien in sozialen Netzwerken veröffentlicht hat, wurde verhaftet", so hieß in einem offiziellen Statement. Zeitweilig war auch zu lesen, dass die Betreffende auch deshalb festgehalten werde, weil sie die zur bedingten Freilassung erforderliche Kaution von umgerechnet knapp 60 Euro nicht habe erübrigen können.

Nun, "die Szene", sprich: die üblichen FBB-affinen Nerds, geht zwischenzeitlich davon aus, dass es sich bei dem fraglichen Muskelmaedel um Shirin Nobahari handelt. Die wiederum ist/war eine iranische Bodybuilding- Championesse. Und sie hat nichts weiter getan, als ein paar harmlose Fotos zu veröffentlichen, auf denen sie voller Stolz ihre Muckis zeigt. Und nicht nur gemessen an dem, was man da sonst so zu sehen bekommt, war ihre Bekleidung völlig harmlos. Sie trug einfach Sportklamotten, that's it - nichts da mit Reizwäsche oder High Heels.

Dem Vernehmen nach wurde sie jedoch davor gewarnt, Selfies zu veröffentlichen, nachdem sie im vergangenen September an einem Wettkampf teilgenommen hatte. Nun dürfen die Frauen im Iran wohl Bodybuilding-Wettkämpfe bestreiten, müssen aber stets strikt islamische Bekleidungsregeln befolgen. Demnach heißt "nackt" auch schon, wenn in Körperteil zu sehen ist, der eigentlich in der Öffentlichkeit verhüllt sein sollte. Das hieße auch, wenn sie keinen Schleier trägt. Wie das dann auf der Bühne in praxi aussehen soll, darüber zerkratze ich mir grad den Kopf.



An diversen Stellen im Web und natürlich auch in den sozialen Medien wie Facebook hat man das Ganze bereits vor Wochen thematisiert (von irgendwo muss ich meine die bekannten Fakten betreffende Weisheit ja herhaben...) Man findet einiges davon, wenn man "Shirin Muscleking" in das Suchfenster von Facebbok eingibt. Zum Beispiel: https://www.facebook.com/unwomen.metrony/?hc_ref=SEARCH&fref=nf.

Was mich daran nur verwundert: Wenn die Sache stimmt und die Frau deswegen eingelocht worden ist --- wo, verdammt noch mal, bleibt eigentlich der zu Recht empörte Aufschrei der deutschen Frauenrechtlerinnen?  

Wo ist eine entsprechende Petition? 

Wo bleibt der Protest aller Politiker, die sich über den ungehobelten, egozentrischen Rüpel im Weißen Haus aufregen, aber in Fällen wie diesem schweigen? 

Wo ist der Furor der teutonischen Journalisten, die Titelbilder mit blonden Präsidenten in dunklen Anzügen und roten Krawatten mit abgeschnittenen Freiheitsstatuenköpfen und blutigen Messern produzieren und denen hier die Phantasie, das Interesse und die Courage auszugehen scheinen?

Manchmal beschleicht mich der Eindruck, als wäre es in diesem Land wohlfeil, republikanischen US-Präsidenten feste gegen das Schienbein zu treten, nicht aber, etwas gegen die eigentlichen schlimmen Finger zu sagen, nämlich gegen die aus Allmachtswünschen heraus zum Massenmord hetzenden Cliquen im Vorderen Orient.




Mir persönlich ist es, um mit Roman Herzog zu sprechen, völlig juck, welcher Religion jemand angehört oder meinetwegen auch nicht. Dito Haar- und Hautfarbe, sexuelle Ausrichtung oder sonstiges, was unter "persönliche Präferenzen" fällt. Hauptsache, man respektiert sich gegenseitig und lässt den anderen nach seiner Facon gewähren. So ist unsere post-religöse, säkulare Gesellschaft strukturiert, die dem Individuum und seiner Entfaltung höchste Rechte einräumt. Das wiederum dann, solange durch diese Entfaltung nicht die Rechte von jemand anderem berührt werden. Ist ganz einfach, oder? 

Diese Radikalen aus dem Vorderen Orient aber wollen die Regeln eines nach ihrer Interpretation zu lesenden Korans über alles andere stellen. Auch über ihre Glaubensbrüder, die das ganz anders sehen und einfach nur wie jeder andere friedlich und im Einklang mit ihrem Umfeld leben möchten (ob sie nun im Irak, in der Sahara, in Mali, im Jemen leben, in Frankreich, England, Deutschland oder meinetwegen auf dem Edwards Plateau von Texas, ist dabei völlig humpe).

Eben diese genannten Radikalen wollen eine rabiat-religiöse Gesellschaft nach ihrer und nur nach ihrer Vorstellung - auch auf lange Sicht hin: Wie mir Arabisten und Orientalisten schon im Studium vor 30 Jahren erzählt haben, herrscht in den fraglichen Regionen hinsichtlich der Umsetzung eben solcher Ziele ein ganz anderes Zeitverständnis. Da denkt man über die eigene Generation hinaus, zum Teil in Jahrhunderten, nicht aber in Legislaturperioden. 



Die so postulierte Art einer diktatorisch vorgeschriebenen Lebensführung aber kann der pluralistische Westen nicht wollen. Hier endet die Toleranz und die Selbsterhaltung hat einzusetzen. Heißt aber freilich auch, jedem links- und rechtsradikalen "Culus" ganz klar die Leviten zu lesen, denn auch die Fraktionen wollen mit ihrer jeweils selektiven Wahrnehmung nur ihr und sonst kein Weltbild. Die Rechtsextreminskis akzeptieren zudem allzuoft keinen, der nicht genuin abendländisch ist (was wieder zu der alten Frage führt, wie arisch Hitler und Goebbels denn eigentlich ausgesehen haben ...).

Die Welt ändert sich, aber es muss klar sein, dass im Westen die Regeln herrschen, für die unsere Vorväter (ist gendergerecht gemeint) seit den Bauerkriegen im 16. Jahrhundert gestritten haben. "Der Geltungsbereich des Grundgesetzes", wie es Bundestagspräsident Norbet Lammert mit Blick auf Deutschland genannt hat. Dem haben sich alle zu beugen, auch Neuankömmlinge. 

Auf alles andere, was sie im Positiven mitbringen, bin ich höchst neugierig und gespannt. Denn das fängt ja mit gutem Essen und hervorragendem Kaffee schon an -- ich weiß, von was ich da rede, ich habe einen Türken in der Verwandtschaft und einige Muslime und arabischstämmige Personen im Bekanntenkreis; nicht vergessen auch, dass es eine Muslima war, die mir bei der Vermittlung meines ersten Arbeitsplatzes geholfen hat ...

Hm. Es fragt sich nur, ob wir (also "der Westen") überhaupt das Recht haben, uns über die Lebensführung und die Politik anderer Staaten aufzuregen. Gute Frage. Meiner Meinung nach dann, wenn universelle Menschenrechte berührt werden. 

Nun, dies ist kein Blog über Politik (allenfalls am Rande). Es ist einer, der sich aus männlicher Sicht an weiblichen Muskeln erfreut und das durchaus mit Blick aufs Erotische feiert. Das mag man fetischistisch nennen, zugestanden, oder gar sexistisch (den Vorwurf gab es auch schon mehrfach), aber es geht mir dabei auch immer ums Menschliche, um es mit dem römischen Dichter Terenz zu sagen. Wenn es aber ums Menschliche geht --- in dem Fall ist es politisch, das ist die Grundansicht der griechischen Philosophen gewesen und ist auch meine. 


Und politisch, das war und ist der Fall bei dieser iranischen Bodybuilderin, die der Welt einmal mehr vor Augen geführt hat, dass die Rechte von Frauen im ach so moralisch verderbten Westen mit seiner selbstzweiflerischen Kritik doch - Gott sei Dank - weithin außer Frage stehen, aber in eben jenen Ländern mit radikalislamisch geprägter Politik und Lebensführung nicht. Somit aber hat einmal mehr das Frauenbodybuilding bewiesen, welche politischen Kräfte ihm innewohnen.
 

Man mag von Bodybuilderinnen halten, was man will, mag diese Sportart/Lebensführung als ungesund ansehen, die Muskelmaedels für Mannweiber halten - alles zugestanden. Aber niemand hat das Recht darüber zu entscheiden, dass diese Sportlerinnen so leben wollen, wie sie es wollen, sprich: Eisen pumpend und damit ihre Muskeln stärkend und deren Wachstum befördernd. An dieser Stelle kann man nun an Interesse und Geschlecht einsetzen, was immer man will: Es gilt ebenso und immer genau so lange, bis es die Rechte anderer beschneidet. 

Es sollte also im Interesse aller Frauen liegen, natürlich nicht nur der Muskelmaedels, gegen diese vorzeitlich-tyrannische Behandlung einer Frau zu protestieren. Doch ob da was passieren wird? Wenn ich allein schon sehe, wie wenig Resonanz vor einigen Tagen die Meldung verursacht hat, dass inzwischen in Deutschland zigtausende zumeist gegen ihren Willen beschnittener Frauen leben. Oder dass sich die Bundesregierung immer noch nicht zu einem eindeutigen Verbot in Sachen Kinderehen durchringen kann. Aber so wie ich bezweifle, dass das geschieht, so bezweifle ich auch, dass irgendeine offizielle Stelle sich um dieses iranische Muskelmaedel kümmert oder kümmern wird.


Okay. Womöglich befindet sich die betroffene Athletin noch in Haft. Womöglich aber ist Shirin Nobahari (falls es sich um sie handelt) wieder "draußen", da irgendwer zwischenzeitlich ihre Kaution bezahlt oder irgendein Richter die ganze Sache als Petitesse angesehen hat. Womöglich mag auch mancher meine Empörung angesichts weit gravierender Vorfälle im Rest der Welt für überzogen halten - wiederum alles zugestanden. Aber gleichgültig wie --- das ändert nichts daran, dass diese Vorschriften zum Äußeren einer Frau eben diese in einer Weise gängeln, die gemäß der Werte und Regeln der westlichen Welt einen nicht statthaften Eingriff in die Freiheitsrechte anderer Menschen darstellt. Und das darf man nicht unwidersprochen lassen.

Daher, und wenn es sonst keiner tut, wiederhole ich:


                     Ich protestiere!  

Nachtrag 12.2.17: Erfahre gerade von Leser R.H., dass Shirin Nobaharis letzter Facebook-Eintrag vom 8. Februar datiert, sie also wieder "draußen" zu sein scheint. Das ist der gute Teil der Nachricht. Der schlechte (unter der gleich am Anfang meines Postings genannten Prämisse, dass die ganze Nachricht überhaupt stimmt) ist und bleibt der aus westlicher Sicht ungerechte Umgang mit den Persönlichkeitsrechten von Frauen in den fraglichen Ländern.    

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