Samstag, 13. Dezember 2014

Ein Film, ein Film: Mary Kom


Mary Kom - so heißt dieser Film, der im Herbst dieses Jahres am anderen Ende der Welt angelaufen ist und in dem es offensichtlich-unübersehbar um eine sportlich äußerst durchtrainierte Athletin geht - um eine Boxerin. In der Hauptrolle: Die in Hilary-Swank-Manier sehr ansehnlich aufgemuskelte Priyanka Chopra in Verkörperung einer Sportlerin, die hier im Westen weitgehend unbekannt ist, zuhause aber ein Star. Es geht um die indische Boxerin Mary Kom.


Mary Kom. Geboren 1983 als Tochter armer, von Brandrodung lebender Bauern. Schulausbildung auf diversen christlichen Schulen. Von Kindesbeinen an sportlich interessiert, seit 2000 dem Boxsport verbunden.Usprünglicher Name: Mangte Chungneijang Mary Kom. Auch bekannt als MC Mary Kom sowie unter dem Spitznamen "Magnificent Mary". Fünfmalige Championesse des Verbandes World Amateur Boxing. Die einzige Boxerin, die in allen sechs internationalen Boxmeisterschaften eine Medaille errungen hat, die einzige Inderin, die sich 2012 für das Boxen bei den Oylmpischen Spielen qualifiziert hat. Angetreten im Fliegengewicht, errang sie eine Bronzemedaille. Und sie holte in diesem Jahr als erste Boxerin ihres Landes eine Goldmedaille bei den Asian Games in Incheon, South Korea. Verheiratet, drei Kinder, kürzlich an der Galle operiert, Werbeträgerin einer Peta-Kampagne gegen den Einsatz von Tieren im Zirkus - soweit die Biographie im Stenogramm-Stil.

Filmszene: Die Hauptdarstellerin beim Eisenpumpen.
Und das Beispiel dieser Sportlerin zeigt doch einmal mehr, mit welcher eingeschränkten, klischeegeprägten Sicht wir Menschen im Westen den indischen Subkontinent wahrnehmen. Indien - das war früher sowas wie ein Konglomerat aus Tiger von Eschnapur, Geheimbünden wie den Thugs, superreichen Maharadschas und Europäern auf Großwildjagd und beim sehr überheblichen Umgang mit diesen rückständigen, reisessenden Turbanrägern, die man bitte schön unbedingt von Witwenverbrennung und anderen komischen Sitten erlösen musste. Dann kam im 20. Jahrhundert der Blick auf die Fakire und die Yogis, auf die Veden, also die indische Philosophie, und die alternative Medizin. Und natürlich brachte Indien herausragende Persönlichkeiten wie Mahatma Ghandi, die der Welt zeigten, wie politische Umwäzungen ohne Gewalt vonstatten gehen können. Vor einigen Jahren entstand dann das Image eines vor Menschen berstenden Landes, in dem sich arme, aber supergescheite Köpfe höchst kreativ überlegen, was man so alles beim Computer-Programmieren noch erfinden kann. Und schließlich der aktuelle Blick auf eine nicht mehr vermutete Rückschrittlichkeit, die sich im Verhältnis von Mann und Frau und da namentlich bei Vergewaltigungen allerübelster Art abzeichnet.
 
Filmszene: An der Maisbirne
All das, so sei vermutet, sind Zerrbilder. Und die werden einer Lage niemals gerecht. Denn da lebt ja auch eine junge Frau, die boxt. Und das sehr erfolgreich. Man kann nun vermuten, dass es nicht leicht für Mary Kom war, diesen Weg zu gehen - hey, selbst hier im ach so aufgeklärten Westen hat eine Regina Halmich sich zu Anfang ihrer Karriere einem eigentlich nicht mehr tolerablen Maß an männlicher Herablassung, Häme und Verächtlichmachung gegenüber gesehen, ehe sie sich als Boxerin wie als Persönlichkeit gegen alle Widerstände durchgesetzt und die verdiente Anerkennung gefunden hat. Es kann nun aber auch sein, dass Mary Kom einfach angefangen hat zu boxen, ohne dass es große Probleme gab oder sie dabei angeeckt ist - wie gesagt, kann sein, aber es sei bezweifelt.
 
Die "originale" Mary Kom
Warum ich das alles hinschreibe? Nun, erstens gefallen mir die Fotos mit einer Schauspielerin, die herrlich kämpferisch guckt und prächtige Muskeln aufweist. Zweitens aber ist auch dieser Film - trotz der freien Verwednung biographischer Fakten, einer wohl nicht ganz eindeutigen Dramaturgie, diverser Bollywood-Klischees und der aus alledem folgenden, durchwachsenen Kritiken - einmal mehr der Beleg dafür, dass das Großteil menschlichen Tuns und Könnens nichts, aber auch gar nichts mit Geschlecht zu tun hat, als vielmehr mit Hingabe, Leidenschaft, Ausbildung und Talent. Solch ein Film ist daher auch immer ein politisches Statement. Nämlich gegen alle, die einen Teil der Bevölkerung unterdrücken wollen. Sorry, anders lässt sich das nicht sagen. Denn wenn die derzeit so aktiven religiösen Fanatiker sich durchsetzen sollten, dann wäre das mit Sicherheit das Ende von Karrieren wie denjenigen von Mary Kom und auch Regina Halmich.


Mary Kom auf dem Weg zum Ring.
Wenn wir uns unsere westliche Sicht aufs Leben, unsere Toleranz und damit auch unseren Lebensstil mit all seinen Facetten und seinen Freiheiten für den Einzelnen erhalten wollen, müssen wir viiiiiieeeeeel mehr für die Bildung der hier Lebenden und die sich daraus ergebende Integration (ist das schon ein böses Wort?) tun. Das fordert aber auch, von den neu hinzu Kommenden, sich einzubringen. Mit Blick auf den wirtschaftlichen Nutzen ist das ja schon längst geschehen.Bleiben noch das Politische und das Kulturelle. Und damit auch eine zumindest rudimentäre Identifikation mit dem hiesigen Gemeinwesen und dem hiesigen Lebensstil. Dann hat auch unsere Gesellschaft keine Probleme damit, Fremde willkommen zu heißen und letztere haben es leichter, hier zu leben, die jedem Menschen erst einmal zustehende Anerkennung zu finden, ihr Leben in würdiger Weise zu gestalten und zusammen mit allen das Gemeinwesen zu bilden, dessen Werte und Struktur sich künftig sicher immer wieder ändern werden, das aber prinzipiell anders ist, als ein religiös-radikaler Gottesstaat. Hoffe ich wenigstens.
 
Priyanka Chopra - die Muckis stehen ihr!
Okay. Der Unterzeichnete schweift ab. Diese Art von Politisiererei ist eigentlich nicht Thema dieses Blogs. Wohl aber die Intoleranz, der sich Athletinnen gerade aus dem Feld der Schwerathletik immer noch gegenübersehen. Namentlich beim Bodybuilding. Und manchmal beschleicht mich so das Gefühl, dass das, was sich da in Sachen Toleranz und Akzeptanz im Kleinen abzeichnet, nur ein Abbild dessen ist, was anderswo das große Bild ergibt. Und damit komme ich, ja versteige ich mich zu der Aussage, dass auch dem Frauenbodybuilding eine politische Aussage innewohnt - nämlich die der Forderung nach der individuellen Selbstverwirklichung.

Bis dahin: Mal gucken, wie der Film so ist. Auf jeden Fall ist das was für Bollywood-Fans. Und eine muskulöse indische Schönheit, das hat doch auch etwas ... 

Filmszene: Wer kann, mache es nach!
         

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